Auf meinem Gabentisch lagen auch letztes Weihnachten einige Bücher, die ich auf meinen Wunschzettel geschrieben und auf die ich sehr gehofft hatte. Als erstes musste ich unbedingt Haruki Murakamis „Von Männern, die keine Frauen haben“ lesen, eine Sammlung von sieben Erzählungen. Ich kann mich immer nur schlecht entscheiden, was ich von meinem Lieblingsautor lieber mag: Die ins Surreale abdriftenden oder die melancholischen, in dieser Welt spielenden Geschichten. Nach diesem Erzählband tendiere ich (vorübergehend) erst mal wieder zu letzterem.
Die Kurzgeschichten handeln – Überraschung! – von Männern in verschiedenen Lebenssituationen, die keine Frauen haben. Im typisch nüchtern-naiven Murakami-Stil lernt ihr sieben Männer kennen, deren Leben vom Abhandensein einer Frau geprägt ist: Weil sie verwitwet sind, sich ganz furchtbar ungeschickt anstellen, und so selbst die verständnisvollste Freundin in den Wind jagen, oder weil die Frau in ihrem Leben sich zu einem anderen Mann hingezogen fühlt.
Da alle Protagonisten unfreiwillig frauenlos (geworden) sind und natürlich, weil der Autor Murakami heißt, sind die sieben Geschichten alle recht melancholisch. Manche nur einen Hauch, andere, vor allem die titelgebende letzte Erzählung, sind geradezu – sorry für den abgedroschenen Ausdruck – herzzerreißend. Hin und wieder musste ich beim Lesen aber auch schmunzeln. Etwa bei der Story „Samsa in Love“, in ein Käfer in Gestalt von Gregor Samsa aufwacht, sich erst mal mit den merkwürdigen Umständen abfinden muss und in die buckelige Angestellte vom Schlüsseldienst verliebt. Da fällt mir auf – schrieb ich gerade von in dieser Welt spielenden Geschichten? Nun ja.
Und wie bei fast allen Büchern von Murakami habe ich vor allen einen großen Kritikpunkt: Dass seine Werke einfach viel zu schnell ausgelesen sind. Dieses auch! Als Neujahres-Lektüre kann ich es sehr empfehlen, denn trotz aller Melancholie habe ich es nicht als ein zu trauriges oder negatives Buch empfunden. Was vielleicht aber auch daran liegt, dass ich kein Mann bin, der keine Frau hat? Lest am besten selber ;-).
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allemeineleidenschaften
8. Januar 2015 at 9:21Hab noch nie ein Kurzgeschichten-Buch gelesen… Ist mir einfach zu kurz, lach 🙂
Ich vertiefe mich gern in Romane, und wenn sie so kurz sind, bin ich am Ende immer richtig traurig, dass ich die Personen im Buch schon wieder auf ihrem Lebensweg verlassen muss.
Verstehst du wie ich das meine? Ich begleite die Personen gern einige Zeit, nicht nur einige Stunden. 😉
fraeuleinimmerglueck
8. Januar 2015 at 10:55Ja, ich verstehe total, was du meinst, ich bin auch eher der Romanleser! Aus dem selben Grund übrigens ;-). An Erzählbände bin ich tatsächlich durch Murakami geraten, weil ich alle seine Romane schon durchhatte. Und siehe da: Ich war positiv überrascht und habe mittlerweile mehrere Kurzgeschichten-Bücher von ihm verschlungen. Und sogar Ausflüge zu anderen Autoren – wie etwa Alice Munro – gemacht. Wenn ich aber die Wahl habe, dann greife ich auch ganz klar zum Roman!
allemeineleidenschaften
8. Januar 2015 at 9:22Übrigens: Ein fantastisches Foto hast du da gemacht!!
fraeuleinimmerglueck
8. Januar 2015 at 10:55Vielen Dank :-)!
Tobias S
9. Januar 2015 at 15:36Als Mann, der tatsächlich keine Frau hat, kann ich auch nur das Prädikat „lesenswert“ geben. 😉
Danke für die Rezension!
Insa
9. Februar 2015 at 14:13Sehr schöne Rezension. Beim „neuen“ Herrn Samsa musste ich schmunzeln – Kafka lässt grüßen. Eines meiner Lieblingskurzgeschichtenbücher (was für ein Wort…) ist „Nichts als Gespenster“ von Judith Hermann. Besonders an die Geschichten, die in Island und den USA spielen, denke ich oft. Dein Lesetipp landet gleich mal auf meinem Geburtstagswunschzettel. ?